Verhältnismäßigkeit der (Rechts)Mittel

Eines der Merkmale des deutschen Rechtsstaates ist der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, der auch als „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ bezeichnet wird. Dieses Prinzip dient dem Zweck, die Bürger vor übermäßigen Übergriffen des Staates in die allgemeinen Grundrechte zu schützen und wird deswegen auch als „Übermaßverbot“ bezeichnet. Ganz besonders dient es dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG.

Auch gemäß Art. 1 Abs. 3 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG  der Verfassung ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit für die gesetzgebende Gewalt, öffentliche Verwaltung sowie die Justiz. Dies bedeutet, dass sämtliche gerichtlichen Entscheidungen, Verwaltungsakte und Gesetze dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen müssen.

Damit eine Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, nicht rechtswidrig ist, muss sie dem kompletten Begriff der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieser beinhaltet sowohl die Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne, was so zu verstehen ist, dass sie einen legitimen Zweck verfolgen, geeignet und erforderlich sein muss, sondern auch noch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, was bedeutet, dass die Maßnahme angemessen sein muss.

Wird beispielsweise bei einem Polizeieinsatz mit unangemessener Härte vorgegangen, so kann dies als einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden, was zu einer Entschädigungszahlung an das betreffende Opfer seitens des Landes führen kann [OLG Köln, 30.10.2008, 7 U 53/08]. Auch ein ausnahmsloser Leinenzwang für Hunde mit horrenden Bußgeldsummen ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit [OLG Dresden, 07.02.2007, Ss (Owi) 395/06; Ss (Owi) 188/06; Ss (Owi) 301/06].

 


Wo gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip? 

Obwohl es keine allgemeine gesetzliche Regelung für das Verhältnismäßigkeitsprinzip gibt, tritt es überall dort in Kraft, wo zwischen zwei unterschiedlichen Interessen ein Ausgleich geschaffen werden muss: Grundsätzlich hat das Verhältnismäßigkeitsprinzip Gültigkeit im Verfassungsrecht (Grundrecht), im Strafrecht, im öffentlichen Recht sowie bei Strafermittlungsverfahren und Straferkenntnissen. Doch auch in den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder sowie im Bundesimmissionsschutz findet es Anwendung. Daneben ist auch häufig bei etwaigen Maßnahmen eine Auslegung erforderlich.

Voraussetzungen einer Maßnahme zur Erfüllung der Verhältnismäßigkeit 

Um festzustellen, ob die geplante Maßnahme die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit erfüllt, müssen folgende Punkte geprüft werden:

  • Legitimer Zweck: Ist der Zweck, der die Maßnahme erforderlich macht, überhaupt legitim?
  • Geeignetheit: Bewirkt (oder fördert) die Maßnahme das Erreichen des Zwecks?
  • Erforderlichkeit: Steht kein anderes beziehungsweise milderes Mittel zum Erreichen des Zwecks zur Verfügung?
  • Angemessenheit: Wie stehen die Vorteile der Maßnahme im Zusammenhang mit deren Nachteilen?

Wird die Frage nach der Legitimität der Maßnahme bereits verneint, erübrigt sich die Prüfung sämtlicher anderer Punkte, denn nur wenn auch wirklich die Legitimität außer Frage steht, kann die Verhältnismäßigkeit erfüllt werden.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt ferner auch in Europa. Es ist neben der Frage der Subsidiarität häufig gegenstand vieler europischen Entscheidungen. Auch bei Menschenrechte kommt es häufg zu einer Abwägung der berührten Interessen.