Krav Maga Mindset – Taktik vor Technik

Taktik vor Technik

Krav Maga ist ein taktisches Selbstverteidigungssystem. Doch was genau ist eigentlich damit gemeint?

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Selbstverteidigung nicht auf die Idee reduziert werden darf, dass Sie mithilfe irgendwelcher chinesischer Geheimtechniken Ihre Gegner paralysieren oder durch einen simplen Tritt in die Genitalien jede Bedrohungslage abschließend klären können.

Wir sprechen daher von taktischer Selbstverteidigung zunächst einmal in Abgrenzung zu Kampfsport oder Kampfkunst.

Taktische Selbstverteidigung hat nichts mit Bewegungsgymnastik oder der Verehrung alter asiatischer Meister zu tun. Der Begriff Taktik kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „die Kunst der Aufstellung der Truppen“.

Wenn wir diesen ursprünglich militärischen Begriff in den Zivilbereich übertragen, können wir ihn frei übersetzen als die

Bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen Mittel und Möglichkeiten zur Erreichung eines bestimmten Zieles.

Effektive taktische Selbstverteidigung meint somit das Zusammenspiel aller möglichen Instrumente und Methoden, die Sie Ihrem Ziel näherbringen – Dem Schutz Ihres Lebens, bzw. Ihrer physischen und psychischen Unversehrtheit.

Die diesbezüglichen persönlichen Kompetenzen (Personal Skills) lassen sich dabei in drei Kategorien einteilen:

  • Mindset (persönliche Glaubenssätze und Einstellungen)
  • Taktik (im engeren Sinne bezogen auf den Umgang mit möglichen Gewaltsituationen)
  • Technik (körperliche Selbstverteidigung)

In den meisten Selbstverteidigungskursen wird der Schwerpunkt auf das technische Training gelegt. In realen körperlichen Auseinandersetzungen nutzen aber fast alle Menschen nur ganz wenige Techniken. Selbst, wenn sie über jahrelange Trainingserfahrung verfügen.

Andererseits zeigt sich immer wieder, dass der Ausgang einer Konfrontation im Wesentlichen von der Schlüsselkompetenz „Mindset“ abhängt, also der entsprechenden taktischen Denkweise.

Das hat nichts mit oberflächlichem positiven Denken oder Chacka-Chacka-Motivation zu tun. Auch brauchen Sie dafür keine tiefgreifende spirituelle Erleuchtung. Das ganze Thema ist eher nüchtern und einigermaßen emotionslos.

Zwar benötigen Sie eine feste Grundeinstellung als Fundament. Der Rest ist aber mehr Logik und Routine.

Emotionen sind dabei allerdings nicht völlig fehl am Platze. Sie sind wichtig, um unsere persönlichen Werte zu bestimmen und unsere Grenzen abzustecken. Ist dies einmal erfolgt, müssen wir aber dafür sorgen, dass unsere Emotionen uns bei der Durchführung des „Jobs“ nicht im Wege stehen oder den Erfolg sogar verhindern.

„Attitude is everything“ lautet eine alte Erfolgsweisheit. Sie stimmt auf jeden Fall auch in der taktischen Selbstverteidigung. Ohne ein entsprechendes Mindset als Basis werden Sie keine gescheite Taktik entwickeln können. Und erst recht werden Sie keine ernstzunehmende Technik gegen Ihren Angreifer ausführen.

Wenn Sie aber die taktischen Grundlagen beherrschen, können Sie selbst jederzeit entscheiden, welche Maßnahmen aus Ihrem Repertoire Sie einsetzen, um die Lage zu Ihren Gunsten zu klären.

Ich möchte Sie daher mit einigen ausgewählten taktischen Grundregeln bekannt machen. Es sind quasi die Grundgesetze Ihrer Selbstverteidigung.

In den meisten Fällen wird es für Sie unmöglich sein, vollständig beurteilen zu können, ob Ihr Leben tatsächlich in akuter Gefahr ist. Dies ist von zu vielen für Sie unüberschaubaren situativen und subjektiven Umständen auf Seite des Täters abhängig.

Wenn Sie sich an den nachfolgenden einfachen Regeln orientieren, verfügen Sie aber bereits über ein solides taktisches Fundament.

Spannend dabei ist, dass Sie diese taktischen Grundgesetze auch in andere Lebensbereichen, wie Job oder Partnerschaft oder Gesundheit adaptieren können.

Die Grundgesetze

1. Make It A Must

Machen Sie Ihr Überleben und Ihre Selbstverteidigung zu einem absoluten Muss. Nicht zu einem „Vielleicht“ oder zu einem „Es wäre schön, wenn…“ Haben Sie immer ein klares Ziel. Schließen Sie mit sich selbst einen verbildlichen Vertrag darüber, dass es keine Alternativen gibt. Scheitern ist keine Option. Scheitern kann Ihren Tod bedeuten.

Wenn man(n) Ihnen als Kind beigebracht hat „Ich will…“ sagt man nicht; es heißt, „Ich möchte…“, vergessen Sie das sofort und kehren Sie es um. Ihr Überleben darf kein frommer Wunsch sein. Es muss Ihr absoluter Wille mit höchster Priorität sein.

2. Be Proactive – Make things happen.

Handeln Sie proaktiv. Sorgen SIE dafür, dass die Dinge passieren und dass Sie nicht „Opfer der Umstände“ werden. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Verteidigung liegt in einer konsequent aktiven offensiven Vorgehensweise.

Offensiv meint dabei nicht ausschließlich den körperlichen Erstschlag. Es bedeutet vielmehr, immer der aktive kontrollierende Part der jeweiligen Situation zu sein, bzw. wieder zu werden. Wenn Sie also in einem dunklen Parkhaus plötzlich hinterrücks von einem Unbekannten gewürgt werden, bestimmt dieser zunächst die Lage. Ihr Ziel muss es sein, den Spieß so schnell wie möglich umzukehren.

Sie wollen aber noch mehr: Sie wollen dem Täter voraus sein und ihn gar nicht erst die Kontrolle übernehmen lassen. Sie ergreifen im Vorfeld selbst aktive Maßnahmen, die Ihre Sicherheit erhöhen und Sie gar nicht erst in die Opferrolle kommen lassen.

SIE bestimmen wo es langgeht. Immer und in jeder Lebenslage.

3. Take Control

Übernehmen Sie die Kontrolle. Immer. Diese Grundregel ergibt sich zwangsläufig aus der vorigen. Sie müssen IMMER der so genannte taktische Herr der Lage sein. Jede andere Position bedeutet Opfer.

Wann immer Sie bemerken, dass Sie Gefahr laufen, die Kontrolle zu verlieren, holen Sie sich diese aktiv zurück oder verlassen Sie die Situation. Noch einmal deutlicher: Entweder Sie übernehmen die Kontrolle oder jemand anderes übernimmt die Kontrolle für Sie. Im Fall von Gewaltstraftaten werden Sie dann schweren Schaden erleiden.

4. Turn Failure Into Feedback

Läuft im Leben immer alles glatt? Gewiss nicht. Auch in der Selbstverteidigung nicht. Betrachten Sie „Fehler“ als wichtige Informationsquelle. Noch besser ist es, wenn Sie das Wort „Fehler“ durch den neutralen Begriff „Ergebnis“ ersetzen.

Denn das ist es, was Sie stets erhalten. Ein Ergebnis. Wenn etwas nicht gefällt, ändern Sie Ihr Vorgehen solange, bis Sie ein gefälliges Ergebnis haben. Trainieren Sie diese Fähigkeit um diese Kompetenz künftig schneller nutzen zu können.

Ein Beispiel aus der körperlichen Selbstverteidigung: Wenn Sie Schläge zum Kopf des Gegners ausführen, er diese aber mit seinen Unterarmen blockt, schlagen Sie nicht weiter in dieselbe Richtung. Ändern Sie Ihr Vorgehen und bearbeiten Sie einen anderen, ungedeckten Bereich.

Seien Sie fest in Bezug auf Ihre Ziele, aber flexibel in Bezug auf die Ausführung.

5. Never Try. Just Do it

TUN Sie es. Versuchen Sie es nicht. Streichen Sie das Wort „versuchen“ jetzt sofort vollständig aus Ihrem Wortschatz. Niemand braucht dieses Wort. Versuchen gibt es überhaupt nicht.

Entweder Sie TUN etwas oder Sie unterlassen es. Dazwischen ist nichts. Sie können also auch nicht „versuchen“ sich zu verteidigen. Entweder Sie TUN es oder Sie lassen es.

Besser Sie TUN es.

6. Do More Than Expected

Tun Sie mehr als man(n) erwartet. Geben Sie 110 %. Mindestens. Ihr Potenzial ist immer viel größer, als Sie es vermuten. Setzen Sie sich keine Grenzen. Gehen Sie die Extra-Meile.  Seien Sie nie „zufrieden“.

Wenn Sie denken, fünf Tritte in die Genitalien des Angreifers sind genug – machen Sie noch zwei mehr!

7. Go Ahead

Machen Sie weiter. Gehen Sie nach vorn. Es gibt für Sie nur zwei Bewegungsmodi: Hin zum Gegner oder weg vom Gegner. Kampf oder Flucht. Wenn Sie kämpfen, bedeutet dies automatisch, dass Sie sich auf IHN zu bewegen.

Bleiben Sie nicht stehen. Lassen Sie nicht IHN auf sich zukommen. Sie sind der aktive Part. Sie preschen vor. Immer weiter. Immer härter. Immer wieder.

Mit freundlicher Genehmigung von Tana von YCF

Quelle: http://you-can-fight.com/wie-sie-einen-geeigneten-krav-maga-instructor-finden/